Matthias Gauly empfängt mich erfrischend unkompliziert und mit einem strahlenden Lächeln in seinem Eckbüro über dem Universitätsplatz. Seit August 2014 lebt und arbeitet er in Südtirol. Nach langjähriger Tätigkeit an den Universitäten Gießen und Göttingen hat ihn der Wunsch nach einer neuen Herausforderung hierher gebracht, um die Herausforderung „Südtiroler Fleischgütesiegel“ anzunehmen: Kann er seine Erfahrungen aus der Viehhaltung in Großbetrieben auf die kleinstrukturierte Südtiroler Realität ummünzen?
BB: Wo fangen wir an?
Matthias Gauly hat keine Zweifel und antwortet wie aus der Maschinenpistole geschossen: Die Südtiroler Viehhaltung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark auf die Milchproduktion spezialisiert. Aber immer mehr Landwirte sind nur im Nebenerwerb Bauern, der Zeiteinsatz in der Milchproduktion wird zunehmend als große Belastung empfunden. Auch die Entwicklungen in der europäischen Agrarpolitik in den letzten Jahren machen die Milchproduktion für die kleinen Betriebe schwierig. Man sucht also allgemein nach Alternativen, wobei die Vorgaben klar sind: der vorhandene Stall und das vorhandene Grünland sollen genutzt werden, die Arbeit soll sich gleichmäßig auf das Jahr verteilen, sodass sie sich für den Nebenerwerb eignet. Die ideale Alternative heißt Fleischproduktion. Zusätzlicher Vorteil: die Fleisch-Wertschöpfung wird wieder ins Land geholt, zur Zeit kaufen die Südtiroler Metzgereien das allermeiste Fleisch außerhalb der Provinz ein.
BB: Wie will man das bewerkstelligen?
MG: Um Produzenten, Gastronomen und Konsumenten das Südtiroler Fleisch wieder schmackhaft zu machen, braucht es 1. Vorteile für die Landwirte in Form von Nutzung der vorhandenen Flächen und Gebäude kombiniert mit fairem Einkommen, 2. eine gute und vor allem konstante Qualität, die Südtiroler und Gastronomen überzeugt und 3. ein Gütesiegel, das für diese Qualität garantiert.
BB: Also eine win-win-win-Situation?
MG: Ja, genau!
BB: Und wer soll da wie aktiv werden?
MG: Das Projekt wird von Land, Universität und Laimburg gemeinsam getragen. Der Aktionsplan Berglandwirtschaft wurde 2015 erstellt und umfasst einen Zeitraum von 6-7 Jahren. 2016 sollen die Struktur aufgebaut und die Standards definiert werden. Die Entwicklung und Weiterführung der Fleischmarke soll idealerweise am Bauernbund angesiedelt sein, da er u.a. auf die Erfahrungen aus der sehr erfolgreichen Markenentwicklung des Roten Hahns zurückgreifen kann. Für die Vermarktung ist eine Kooperation mit der Kovieh, einem Zusammenschluss der Südtiroler Viehzuchtverbände, mit dem Kleintierzuchtverband und verschiedenen bereits existierenden Markenprogrammen angedacht.
BB: Was werden die Qualitätsstandards festlegen?
MG: Die Qualitätsstandards betreffen die Tierhaltung, die Schlachtung und die Weiterverarbeitung.
1. Die Tierhaltung soll eine TierWOHLhaltung sein, bei der die Bedürfnisse der Tiere berücksichtigt werden, und die Transportwege zur Schlachtung sollen kurz sein.
2. Die Rassen und das eingesetzte Futter werden festgelegt, sowie der Zeitpunkt bzw. das Gewicht zum Zeitpunkt der Schlachtung
3. Verarbeitung des Fleisches
Die Marke, mit der diese Standards vermittelt werden, soll im Laufe von 5 Jahren aufgebaut werden und für alle Tierarten definiert sein. Dann braucht es 5 Jahre für die Konsolidierung der Marke. Nach insgesamt 12 Jahren soll sich die Marke selbst tragen. Dies sind die Erfahrungswerte vom Roten Hahn.
BB: Wie beurteilen Sie die aktuellen Umstände? Sind in Südtirol die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einführung eines Fleischgütesiegels gegeben?
MG: In Südtirol gibt es eine gute Rassenvariation, was es ermöglicht sowohl qualitativ besonders hochwertiges Fleisch für Nischenmärkte herzustellen, als auch sehr gutes Fleisch für den täglichen Konsum zu produzieren. Die gemeinsame Basis ist für alle der Standard der Tierwohlhaltung. Die angepeilten Standards sind von einigen Landwirten jetzt schon ohne große Umstellung einzuhalten. Für selbige resultiert die Marke in einer kurzfristigen Gewinnsteigerung. Andere werden durch die Ergebnisse dieser Trendsetter angespornt werden, der Marke beizutreten und dazu beitragen, dass sich die Marke nach spätestens 15 Jahren selber trägt.
BB: Ich danke für das Gespräch und freue mich auf gutes Fleisch aus Südtirol.