Was Großvater noch wusste und wir gerade wieder entdecken.
Es gibt Menschen, die mögen keine Extreme. Das sind Leute,
die Pils trinken, ihr Mineralwasser „wohl temperiert“ bestellen und beim Fleisch am liebsten ein mageres Filet (medium) wählen. Wer zu dieser Sorte Mensch gehört, der wird eher nicht Geschmack finden am Dry Aged Beef, der neuen/alten Geschmacksexplosion auf dem Teller.
Wer hingegen intensiven Fleischgeschmack sucht, wer schon immer einen Hang zum Besonderen hatte und für den die Geschichte zum Genießen dazu gehört, der wird von dieser Art Fleisch nicht genug kriegen können. Zart, perfekt marmoriert mit einem ganz eigenen Aroma ist Dry Aged Beef die Königsklasse des Fleisch-Genießens.
Alte Technik mit neuer Technik
Die Art der Herstellung selbst ist wohl die älteste zur Haltbarmachung von Lebensmitteln überhaupt. Man lässt das Fleisch an der Luft trocknen, es verliert Wasser und entzieht so den Bakterien die Arbeitsgrundlage. Dieser Wasserentzug sorgt gleichzeitig dafür, dass die Fleischstücke einen intensiveren Geschmack annehmen – so wie beim Eiswein, den man auch trocknen lässt, um mehr Aroma zu bekommen. Das Fleisch wird im Inneren besonders zart und entwickelt eine einzigartige Fettmarmorierung.
Seit einiger Zeit schon erfreut sich diese neue/alte Methode vor allem in den USA – der Heimat der großen Steakhäuser – steigender Beliebtheit. Inzwischen finden sich auch in Europa immer mehr Anbieter dieser Delikatesse.
Und wo früher ein Gelingen von der Erfahrung des Metzgers bzw. des Jägers abhing, von den Witterungsbedingungen und dem Maß an Kontrolle, dass man darüber ausüben konnte, da wird heute von Reifeschränken alles perfekt geregelt (wobei aber jeder Produzent trotzdem sein ganz eigenes Rezept hat, was Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Zutaten angeht).
Außen pfui, innen lecker
Gut zugegeben, ansehnlich sind die Stücke nun nicht unbedingt, wenn sie frisch aus dem Reifeschrank kommen. Das Fleisch verliert während der Reifung bis zu 30% seines Gewichts (dank moderner Technik inzwischen weniger als 10%), die Oberfläche ist rau, hart, lederartig und fast schwarz. Es braucht erfahrene Hände, um aus diesen Rohdiamanten echte Geschmacks-Juwelen zu machen. Man erhält ein Stück Fleisch mit perfekter, dunkelroter Farbe voller Saft und mit butterig-nussigem Geschmack.
Zubereitung
Das perfekte Dry Aged Beef Stück sollte nicht zu dünn sein (aber das versteht sich ja von selbst: wer 2 Minuten Steaks sucht, ist hier falsch) und wird grundsätzlich ganz normal zubereitet wie andere Rindfleisch-Stücke auch. Die Pfanne/der Grill sollten RICHTIG heiß sein. Dann von beiden Seiten scharf anbraten und anschließend im Ofen bzw. an einer weniger heißen Stelle des Grills nach Wunsch fertig garen (rare, medium oder eben well done, aber wer will schon was anderes als rare!).
Da der Eigengeschmack des Fleisches bereits so intensiv ist, reicht ein bisschen Salz und Pfeffer zum Würzen völlig aus. Als Beilagen empfehlen sich Kartoffeln, Pürees (Pastinake ist toll!), gegrilltes Gemüse und Salat.
Vergessen Sie auf keinen Fall, ein Stück Brot für den Fleischsaft bei der Hand zu haben! Es lohnt sich!
Dry Aged Beef für zu Hause?
In den USA ist es längst üblich, sein Dry Aged Beef (eine entsprechend große Gruppe fleischbegeisterter Esser in der Familie vorausgesetzt) selbst zu reifen. Auch in Europa nutzen immer mehr Fans die Möglichkeit, dank moderner Technik problemlos ihre eigenen Rezepte zu verwirklichen. Einer der etabliertesten Vertreter im Reifeschrank Bau ist die Firma Landig + Lava aus Bad Sauglau mit ihrem Dry Ager, die lange an einem Reifeschrank für den Hausgebrauch getüftelt haben. Wer also genug Kleingeld bei der Hand hat (und großen Hunger), der kann hier sein Dry Aged Beef Projekt direkt in die Tat umwandeln.
Wer hingegen nicht mit einer Fleisch liebenden Großfamilie gesegnet ist, aber dennoch gelegentlich mal ein gutes Stück Dry Aged Beef genießen will, der kann auch einfach mal im Hidalgo vorbei schauen. Dort stehen nämlich aktuell bereits „dry“ dieser Reifeschränke im Keller und veredeln bestes Südtiroler Kohvieh zum schmackhaftesten, speziellsten Fleisch, dass man derzeit in der Region so kriegen kann.